Fragt man im Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn jemanden, ob er Jewy Louis kenne, vermuten wohl alle, dieser sei ein Schüler der Schule. Witzig ist der kleine, junge Mann, der immer eine weißblaue Kippa trägt und er hat viele lustige und absurde Geschichten aus seinem jüdischen Alltag in einer nichtjüdischen Welt zu erzählen.
Da wundert es nicht, wenn manche glauben, er sei ein Mitschüler. Aber weit gefehlt. Jewy Louis stammt aus der Feder (oder besser dem Zeichenstift) des niederländischen Comic-Zeichners Ben Gershon. Jede Woche erscheint in der „Jüdischen Allgemeinen“ und im Schweizer Wochenmagazin „Tachles“ eine neue Episode aus dem Leben Jewy Louis und selbst ein Buch erschien über ihn schon 2018 im Ariella-Verlag: „Jewy Louis – Schalömchen: Witzige koschere Comics“.
Der jüdische Humor ist legendär und quasi Bestandteil der jüdischen DNA geworden. Nun gibt es ihn erstmals auch als Comic in Buchform. Aber nicht nur das: „Jewy Louis auf Rollen“ heißt eine Ausstellung, mit der der Cartoonist Gershon seine Kunstfigur bereits in anderen deutschen Städten vorstellte. Dass es sich dabei um die erste jüdische Comic-Ausstellung überhaupt handelt, ist angesichts zahlreicher jüdischer Comic-Zeichner fast gar nicht zu glauben.
Das Berliner Publikum konnte sich im Rahmen der Jüdischen Kulturtage im Gemeindehaus selbst bis Ende November davon überzeugen, wie dieses koschere Comic alle liebevoll aufs Korn nimmt: orthodoxe Rabbiner, jüdische Mütter, unwissende Juden und Nicht-Juden mit vielen, manchmal eigenartigen, Fragen sowie Andersgläubige.
Dabei sei Jewy Louis alles andere als ein Superheld. Vielmehr sei er ein Otto-Normaljude, der versuche, die Vorschriften der Tora einzuhalten und dabei gleichzeitig seinen Mann zu stehen, beschreibt Hannah Dannel, Kulturreferentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Hauptperson in den Comic-Strips.
Hannah Dannel ist es auch zu verdanken, dass Jewy Louis tatsächlich für einen trüber November-Vormittag Schüler am Jüdischen Gymnasium ist. Die Unterstützung durch den Zentralrat hat es möglich gemacht, dass der vierunddreißigjährige Ben Gershon wieder zur Schule geht und dass Jugendliche des 11. Jahrgangs sich mit dem Zeichnen von Comics völlig legal im Unterricht beschäftigen.
Sicher hat jede*r sich schon einmal darin versucht, eine kleine Geschichte mit Hilfe von Stichmännchen zu erzählen. Gershon verblüfft die Jugendlichen damit, dass er zwar – wie wohl jedes Kind – mit anderthalb Jahren sein erstes Kunstwerk auf den Wänden der elterlichen Wohnung verewigte, danach aber doch zunächst einen Abschluss in öffentlicher Verwaltung, Recht und Steuerrecht erwarb, bevor er erfolgreich sein Hobby zum Beruf machte und die Karriere eines Comic-Künstlers einschlug.
Der große Kunst-Raum unterm Dach des Gymnasiums ist erfüllt mit dem Gekicher der Schüler*innen aus zwei Leistungskursen, die sich daran versuchen, selbst ein Comic zu zeichnen. Nach einer kurzen Einführung durch Ben Gershon, der dann auch Jewy mit wenigen Strichen auf die Tafel zaubert, versuchen sich die Jugendlichen selbst an einer Comic-Figur. Manche lassen sich von Comic-Klassikern inspirieren, andere lassen ihrer Phantasie freien Lauf. Es wird viel gelacht und alle freuen sich über Tipps und Hinweise des Comic-Zeichners, der heute nur für die Jugendlichen da ist.
Zufrieden schaut Kunstlehrerin Andrea Mönch zu, wie eifrig ihre Schüler*innen unter der Anleitung eines Comic-Profis arbeiten. Dass Kunst so praxisnah vom Künstler selbst in den Unterricht gebracht wird, ist eben immer noch sehr selten.