Das Jüdische Gymnasium und digitales Lernen in Zeiten der Corona-Krise
Die Zeit zwischen Winter- und Pessachferien ist am Jüdischen Gymnasium üblicherweise geprägt von den letzten Unterrichtstagen des Abiturjahrgangs (inklusive Mottowoche), von ersten Abiturprüfungen und meist auch von zahlreichen Krankmeldungen wegen jahreszeitbedingten Atemwegserkrankungen.
Aber in diesem Jahr ist alles anders und so musste auch das Jüdische Gymnasium am 17. März seine Tore vor Covid19 schließen und den Shutdown verkünden.
Erst am vorangegangenen Freitag hatte die Schulsenatorin, Sandra Scheeres, die Schließung der Berliner Schulen veranlasst, die sich damit in einer nahezu aussichtslosen Situation sahen, die Unterricht innerhalb von drei Tagen auf E-Learning umzustellen.
Das Kollegium des Jüdischen Gymnasium traf das nicht ganz unvorbereitet, denn man plante bereits seit längerer Zeit, zu Beginn des nächsten Schuljahres allen Schüler*innen einen kostenlosen Microsoft-Office365-Zugang zur Verfügung zu stellen, damit die Möglichkeiten des digitalen Lernens und Arbeitens Einzug in den Unterricht halten können. Dies wurde nun mit sehr viel Arbeitseinsatz der IT-Abteilung innerhalb von wenigen Tagen realisiert. Darüber hinaus stellte der Vorstand der Jüdischen Gemeinde die entsprechenden finanziellen Mittel zu Verfügung, damit alle 450 Schüler*innen eine vollwertige Offline-Lizenz für Office-365 erhalten konnten. Über eine eigene schulinterne Email-Adresse konnten sich dann alle Schüler*innen im Office365-System anmelden und die entsprechenden Apps und Programme auf ihre eigenen Computer, Tablets und Handys herunterladen. Gleichzeitig haben die Lehrer*innen digitale Lernräume, so genannte Teams, erhalten, die nun die realen Klassen ersetzen.
Am Tag der Schulschließung begann damit am Jüdischen Gymnasium das digitale Lernen in virtuellen Klassenräumen. Der letzte Lehrer*innen-Studientag lag noch keine vier Wochen zurück und hatte sich mit den technischen Möglichkeiten, die Office 365 für den Unterricht bietet, beschäftigt, sodass zumindest die Lehrer*innen wussten, was auf sie zukommt.
Schon am Ende der ersten Woche E-Learning konnte dann auch sehr viel Positives berichtet werden. Alle Schüler*innen nutzen den Office-Zugang, der Unterricht funktioniert. Viele Eltern melden sich beim Schulleiter und bedanken sich für die zuverlässige und transparente Kommunikation und vor allem dafür, dass die Kinder und Jugendlichen zu Hause allein arbeiten, aber damit von der Schule nicht allein gelassen werden. Die Lehrer*innen und die beiden IT-Administratoren sind immer erreichbar, beantworten geduldig alle Fragen und helfen bei technischen Problemen weiter. Es gibt die unterschiedlichsten Formen des Lernens: digitaler Unterricht in Videokonferenzen, Klassenchats, Lernvideos, Arbeitsaufträge mit Abgabefristen, Linklisten zur selbstständigen Internetrecherche und natürlich das Üben im Umgang mit Word-Dokumenten und PDF-Dateien.
Hinter den Kulissen diskutierten die Lehrer*innen den sinnvollen Umgang mit der neuen Technik und passten den eigenen Umgang damit an, denn niemand will Schüler*innen und Eltern zu Hause überfordern. Zu berücksichtigen galt es dabei auch die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und technischen Voraussetzungen in den Elternhäusern. Dabei fiel an der einen oder anderen Stelle doch auf, dass die Generation Smartphone gar nicht so versiert im Umgang mit der Technik ist, wie sie selbst und die Lehrer*innen das vermuteten. Relativ schnell haben aber alle Beteiligten erkannt, dass die neue Technik hilfreich ist, aber das reale Unterrichtsgespräch nicht ersetzen kann, dass haben nach einer Woche sogar die Schüler*innen zugegeben.
Was bleibt nach drei Wochen E-Learning? Es funktioniert und es bietet ungeahnte Möglichkeiten, aber es verlangt sehr viel mehr selbstständiges Denken bzw. Handeln, denn man kann eben nicht mal schnell beim Banknachbarn gucken, was man gerade verpasst hat. Zeitmanagement und Organisation des eigenen Lernprozesses in meist mehr als 10 verschiedenen Teams, früher hieß es Unterrichtsfächer, scheint etwas zu sein, was Lehrer*innen und Schüler*innen genauer besprechen müssen.